Vom Waffenlager zur Schausammlung
Das Fürstliche Zeughaus
Das Zeughaus als Bautypus lässt sich europaweit seit dem 15. Jahrhundert nachweisen. Mit der raschen Entwicklung schwerer Feld- und Festungswaffen waren die bisher genutzten Waffenkammern zu klein geworden. So entstanden eigene Gebäude für die Lagerung, Pflege und Bereitstellung der militärischen Gebrauchsgüter. Die erste Erwähnung des Zeughauses findet sich im 16. Jahrhundert. Ab dem 18. Jahrhundert verlor dessen Nutzung an militärischer Bedeutung und wurde folglich als Ort einer Schausammlung der Waffen genutzt.
In einem Teilungsvertrag der Schwarzburger Grafen aus dem Jahr 1453 findet sich die erste bekannte Benennung einer Harnischkammer (»Harnasch kamer«) auf Schloss Schwarzburg. Sie diente der Aufbewahrung der Rüstungen und Ausrüstungsgegenstände des Burgherrn.
Die Feldheere vergrößerten sich, mehr und mehr schwere Feld- und Festungswaffen wurden angeschafft. Die bisher genutzte Waffenkammer wurde zu klein. So entstand bald ein eigenes Gebäude für die Lagerung, Pflege und Bereitstellung der militärischen Gebrauchsgüter (als »Zeug« bezeichnet). Die erste Erwähnung des Zeughauses Schwarzburg, etwa zeitgleich mit Ersterwähnungen der Zeughäuser von Graz, Dresden oder Kassel, findet sich in einem um 1550/60 zu datierenden Waffeninventar der Schwarzburg. Dieses ist mit dem Begriff »Zeugkhause« überschrieben und zeigt einen Zeughaustypus, der zu diesem Zeitpunkt als reines Geschützlager diente. Das Gebäude lag westlich des Burgtores, oberhalb des Halsgrabens und erfüllte an dieser Stelle gleichzeitig eine fortifikatorische, abwehrende Aufgabe. Die Ausführung des Gebäudes, dessen Baumeister bislang unbekannt ist, zeigt die für diese Zeit übliche Mischform zwischen einem militärisch und zivil genutzten Speicherbau. Hauptfunktion war die Aufnahme der Geschütze im Erdgeschoss; die darüber liegenden Geschosse dienten noch bis in das 19. Jahrhundert als Frucht- bzw. Kornschüttböden, deren Vorrat im Falle einer Belagerung von Vorteil sein konnte.
Für den Zeitraum von 1613 bis 1707 kann ein Bild der Einrichtung und Ausstattung des Zeughauses anhand unterschiedlicher Inventare vorgenommen werden. Ein Inventar hat den Charakter einer Bestandsliste von Objekten und Einrichtungsgegenständen und gibt nicht zwingend Auskunft über Herkunft bzw. Besitzverhältnisse sowie über die äußere oder innere Gestalt eines Gebäudes. Sie wurden angefertigt im Zuge von sich ändernden Besitzverhältnissen, bspw. durch Erbteilungen nach einem Todesfall, Umbauarbeiten, Änderung von Zuständigkeiten oder Katastrophen, wie Bränden oder Kriegen. In den Zeitraum von 1613 bis 1707 fallen insgesamt vier Inventare:
- 1613 – anlässlich der Landesteilung unter den drei Söhnen des 1605 verstorbenen Grafen Albrecht VII.
- 1647 – im Zusammenhang mit den Ereignissen des Dreißigjährigen Krieges
- 1656 – anlässlich der Übergabe und Kontrolle des Schwarzburger Gesamtinventars an den Burgvogt Daniel Bergner
- 1664 – angesichts drohender Türkeneinfälle
Auszug aus dem Waffen-Inventar von 1613
Ein großer Feuer Mörsell von Messing und Spieße,
Eine ganze Kartaune sonstes Singerin oder Mauerbrecher genand,
Eine ganze Schlange, Drei halbe Schlangen, Eine Quartierschlange,
Vier Zehn ganze Falckonet, Sechs ganze Falckonet ohne Ladung
und ist derselbes eins undüchtig und wandelbar [reparaturbedürftig],
Siben halbe Falckonet, Zwey halbe Falckonet ohne ladung,
Vier Scherpetiner uf Rädern, Zwei Scherpetiner uf pocken [Böcken] und Mucken
Ab dem 18. Jahrhundert verlor die militärische Nutzung des Zeughauses an Bedeutung. Der Waffenbestand wurde jetzt als fürstliche Schausammlung mit fast musealem Charakter präsentiert, der von eigens eingestellten Büchsenmachern betreut wurde. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gelangten keine einsatzfähigen Waffen mehr in das Zeughaus, jedoch erweiterte sich die Waffensammlung durch Nachlässe der jeweiligen Fürsten und durch die Gewehrkammer der Rudolstädter Heidecksburg.
Fürst Günther von Schwarzburg-Rudolstadt traf nach seiner Regierungsübernahme im Jahr 1891 eine für die Geschichte der Zeughaussammlung glückliche Entscheidung. Er konnte den Sekretär und späteren Direktor der Leibrüstkammer Stockholm, Carl Anton Ossbahr, für die erstmalige Inventarisierung der Sammlung nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten gewinnen. Behilflich bei der Vermittlung war dessen Onkel, Baron Thure von Cederström, der seit 1891 als Berater des Fürstenhauses in allen Fragen des Ankaufes und der Restaurierung von Kunstgütern diente.
Ossbahr, der nur wenige Tage oder Wochen in den Jahren von 1891 bis 1895 vor Ort sein konnte, führte die Inventarisierung, Neuordnung und den Ankauf neuer Waffengestelle in Zusammenarbeit mit Hofmarschall Adolf von Klüber, Leibjäger Ferdinand Herms und Zeughausverwalter Carl Christian Spiess aus. Zudem zerlegte Ossbahr etliche Waffen in ihre Einzelteile, um eine exakte Bestimmung vorzunehmen. Ossbahr war mit 32 Jahren schon ein weit gereister Mann, der viele europäische Waffensammlungen besucht hatte und ein beachtliches Wissen in Bezug auf Vergleichsstücke in anderen Zeughäusern mitbrachte.
Der Abschluss der Katalogisierung
Den Abschluss der Katalogisierung, und entscheidend für die folgende öffentliche Wahrnehmung, stellte die Veröffentlichung des Inventars in Buchform dar. Im Katalog konnte Ossbahr die meisten Objekte ausführlich beschreiben, einordnen und in Bezug auf Vergleichsstücke oder Besonderheiten der Schlosssysteme kommentieren. Auch die Schmiedemarken bzw. Gravuren sollten abgebildet werden. Hier half von Cederström, der die zeichnerischen Vorlagen erstellte. Mit Katalogaufnahme erhielten die Waffen eine noch heute gültige Inventarnummer, die als Marken aus blind geprägtem Messingblech an den Waffen angebracht wurden. Insgesamt erfasste Ossbahr 2.735 Positionen, wobei größere typgleiche Bestandsgruppen wie Geschützkugeln oder Armbrustbolzen unter einer Inventarnummer zusammengefasst wurden. Die eigentliche Stückzahl betrug zu dieser Zeit 5.458 Objekte. Das abschließende Register verweist auf 132 ermittelte Büchsenmacher.
In einer Auflage von 1.000 Exemplaren konnte das Werk 1895 auf Kosten des Rudolstädter Hofmarschallamtes bei Knorr & Hirth in München gedruckt werden. Den Vertrieb übernahm der Verlag der Müller'schen Buchhandlung in Rudolstadt.
Ein gravierender Einschnitt in der Sammlungsgeschichte des Schwarzburger Zeughauses stellte der Wechsel der Eigentumsverhältnisse nach der Abdankung des Fürsten Günther von Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen im Jahr 1918 dar. Zunächst blieb die Waffensammlung davon ausgenommen. Laut fürstlicher Verordnung vom 22. November 1918 über die Gründung einer »Günther-Stiftung« verblieb sie im Gegensatz zu den Schlössern Heidecksburg und Schwarzburg im Besitz des Fürsten, wurde weiterhin öffentlich präsentiert und sollte erst nach seinem Tod an die Stiftung fallen. Durch ein Gesetz vom 29. März 1923 gelangte jedoch das neu gegründete Land Thüringen in die Rechtsnachfolge der »Günther-Stiftung« und war nunmehr für die Erhaltung der Schlösser und der darin befindlichen Einrichtungen zuständig. Als Fürst Günther 1925 verstarb, folgte ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen dem Fürstenhaus und dem Land Thüringen über die Eigentumsverhältnisse an der Zeughaussammlung, wobei Anna Luise von Schwarzburg, vertreten durch den Hofmarschall Gustav Adolf von Halem, die Rechtmäßigkeit des Landeseigentums an der Waffensammlung bestritt. Erst mit dem Vertrag vom 6. Juli 1928 konnte Rechtsfrieden zwischen den Parteien hergestellt werden. Die Eigentumsverhältnisse an der Sammlung des Zeughauses und deren museale Präsentation wurde zugunsten des Landes Thüringen entschieden. Das lebenslang zugesprochene Wohnrecht der Fürstin Anna Luise auf den Schlössern Schwarzburg und Sondershausen blieb zunächst unberührt. Die offizielle Übergabe des Zeughauses an das Land erfolgte am 3. April 1929.
Der seit 1904 angestellte Zeughausverwalter Paul Fischer konnte weiterhin mit seiner Familie im unmittelbar dem Zeughaus angeschlossenen Torhaus der Schwarzburg wohnen bleiben. Er hatte sich um die Pflege der Bestände zu kümmern,das Zeughaus regelmäßig zu öffnen, Eintrittsgelder zu erheben und Postkarten zu verkaufen.
1940 entschied Adolf Hitler Schloss Schwarzburg zu einem Reichsgästehaus umbauen zu lassen. Von den geplanten Umbau- und Abrissarbeiten waren auch das Zeughaus und das Torhaus betroffen. Das Torhaus wurde abgetragen, um die Durchfahrt zum Schlossgelände zu ermöglichen. Das Zeughaus wurde beräumt und sollte als Garage für die Fahrbereitschaft dienen.
Die Waffensammlung gelangte auf die Heidecksburg nach Rudolstadt und wurden bis Kriegsende in den Kellern des Schlosses eingelagert. Die russischen Besatzungstruppen beschlagnahmten nach 1945 die Sammlung und bereiteten den Transport in die Sowjetunion vor. Durch glückliche Umstände kam dies allerdings nie zustande. 1949 fanden sich die Waffen auf dem Güterbahnhof in Rudolstadt und wurden auf die Heidecksburg zurückgebracht. Seit dieser Zeit ist das Museum der Heidecksburg im Auftrag des Landes Thüringen Eigentümer dieser Sammlung. Seit 1962 wurden etwa 300 der bedeutendsten Objekte in einer ständigen Ausstellung in der Gewölbehalle im Nordflügel gezeigt.
Die Waffensammlung nach dem 2. Weltkrieg
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges blieb das Zeughaus eine leer stehende Ruine, die im Laufe der nächsten Jahrzehnte lediglich notdürftig gesichert wurde, um sie vor einem Einsturz zu bewahren. 1947 stürzte der nordöstliche Halbschalenturm des Zeughauses ein, konnte aber im Laufe der 1950er Jahre wieder aufgebaut werden. Verschiedenste Nutzungskonzepte ab den 1970er im Zusammenhang mit einer Wiederbelebung des Schlosses als Hotel, Gäste- oder Ferienheim, Restaurant oder Kulturzentrum scheiterten aber aufgrund der enormen Kosten einer Instandsetzung.
Der gesamte Schlosskomplex Schwarzburg inklusive Hauptgebäude und
ging 1994 in das Eigentum der neu gegründeten Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten über. Im Jahr 2007 gab es erstmals Hoffnung für das Zeughaus. Dank des außergewöhnlichen Engagements des Fördervereins Schloss Schwarzburg e. V., der mit einer Spende von 50.000,00 € die Initialzündung auslöste, und der privaten Stiftung für Schloss Heidecksburg und Schloss Schwarzburg im ehemaligen Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt, sah sich die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten nunmehr in der Lage, mit einem auf mehrere Jahre angelegten Sanierungsprogramm zu beginnen und das Zeughaus vor dem endgültigen Verfall zu bewahren.2009 gelang der Durchbruch: Mit Mitteln des Konjunkturprogrammes der Bundesregierung und der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten wurde es möglich, die Bestandssicherung des Zeughausgebäudes im Inneren wie Äußeren vorzunehmen. Das sich nun folgerichtig anschließende Bauprojekt betraf den Wiederaufbau des 1940 abgerissenen Torhauses, das sich unmittelbar an das Zeughaus anschloss.
Im Jahre 1994 fand die Jahreshauptversammlung der »Deutschen Gesellschaft für Heereskunde« auf der Heidecksburg statt. Die fürstliche Waffensammlung rückte wieder in den Fokus einer gesamtdeutschen Öffentlichkeit. Die zu diesem Zeitpunkt am häufigsten gestellte Frage lautete: Wie kann es gelingen, die Waffensammlung in ihrem Gesamtumfang von über 5.000 Objekten wieder öffentlich zu präsentieren?
Um die Rückkehr der Sammlung in das Zeughaus nach Schwarzburg zu ermöglichen, war es von grundlegender Bedeutung, die auf der Heidecksburg magazinierten Objekte von Restauratoren nach eingehender Prüfung in einen ausstellungsfähigen Zustand zu versetzen. Dieser kostenaufwändige und langwierige Prozess der Restaurierung der als »national bedeutsam« eingestuften Samlung wurde nur durch die Zusammenarbeit und nicht unerhebliche finanzielle Mittel der Kulturstiftung des Bundes und der Kulturstiftung der Länder, des Landes Thüringen und des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt im Zeitraum von 2008 bis 2011 bewältigt.